Die Zukunft Berlins als intelligente, soziale und lebenswerte Stadt hängt in großem Maß von der industriellen Wertschöpfung und von innovativen, weltmarktfähigen Produkten und Dienstleistungen und wissenschaftlichen Fortschritten ab. Der laufende Masterplan Industriestadt Berlin 2018-2021 (MPI) soll die Entwicklung steuern und künftige Entwicklungsfelder und Produktionsschwerpunkte fördern und finanziell ausstatten.
Unter der Federführung der Senatsverwaltung für Wirtschaft Energie und Betriebe arbeitet eine eigene Geschäftsstelle am Masterplan Industriestadt Berlin, der nach der ersten Auflage 2018-2021 auch bald fortgeschrieben werden soll.
Staatssekretär Christian Rickerts erläuterte dazu „Mit dem Masterplan Industriestadt Berlin haben wir einen strategischen Rahmen an der Hand, mit dem wir unsere Stadt fit für neue, auch globale Herausforderungen machen. Mit ihm gehen wir wichtige Themen wie die digitale Transformation, additive Fertigung, die Verfügbarkeit von Industrieflächen, wirtschaftsförderliche und innovationsfreundliche Verwaltung oder Wissens- und Technologietransfer an. Der Berliner Senat, Kammern, Verbände, Gewerkschaften und Fördereinrichtungen arbeiten Hand in Hand, um die Rahmenbedingungen für Industrieunternehmen in Berlin immer weiter zu verbessern. Die koordinierende Geschäftsstelle wird uns wertvolle Hilfe sein, die Einzelprojekte zu steuern.“
Ein aktueller Förderaufruf zum Masterplan Industriestadt Berlin 2018 – 2021 wurde veröffentlicht (ausführliche Information siehe unten). Dabei rückten in Spandau natürlich auch die Zukunftschancen der Siemensstadt 2.0 in den Blick.
Reichen die bisherigen Innovationsstrategien für Berlin aus?
Bisher ist der Masterplan auf das Netzwerk Industriepolitik, bestehend aus Kammern, Verbänden, Gewerkschaften und Fördereinrichtungen des Landes gestützt. Das garantiert wichtige immanente Innovations-Interessen und Zielsetzungen in Berlin.
Ab 2011 wurde mit InnoBB eine richtige Strategie für fünf Innovations-Cluster aufgelegt:
– Biowissenschaften und Gesundheitswesen,
– Energietechnologie,
– Mobilität (einschließlich Transport und Logistik)
– ICT, – Medien und kreative Industrien
– Photonik (einschließlich Mikrosystemtechnologie)
Diese Strategie wird inzwischen nun mit der Inno-BB 2025-Strategie fortgeführt.
Gefragt werden muss jedoch, ob die Strategie InnoBB-2025 ausreicht, und ob sie überprüft, erweitert und an neue Herausforderungen und Disruptionen angepasst werden muss.
Das Umfeld hat sich mit den asiatischen High-Tech-Strategien und der Lage der Weltwirtschaft massiv verändert. Innovative Berliner Mittelständler und Startups treffen im Weltmarkt auf kapitalstarke Konkurrenz und auf staatsfinanzierte Konzerne. Wichtige Schlüsseltechnologie-Bereiche sind nachhaltig besetzt und mit eigenen vertikalen und horizontalen Innovationsstrategien ausgestattet.
Strategische und volkswirtschaftliche Fragen müssen neu gestellt werden:
Wer identifiziert außerhalb des Netzwerks Industriepolitik vielversprechende Innovations-Ziele, bei denen derzeit weder „Henne noch Ei“ in Berlin oder in den Industriebranchen selbst vertreten sind? Wie werden versteckte Potentiale und volkswirtschaftliche Innovations- und Wertschöpfungslücken entdeckt und analysiert? Wie reagiert man auf Innovationsvorsprünge in anderen Weltmarkt-Regionen? Wie wird mit begrenzten Ressourcen gesamtökonomisch-strategisch reagiert: Konkurrieren – kooperieren – oder neu syntegrieren? Welche disruptiven Technologien müssen mit bedacht werden?
Mit der Fortschreibung des Masterplan Industrie müssen auch diese weiterreichenden Fragen gestellt und beantwortet werden. Wirtschaftspolitische Planungshorizonte müssen bis zum Jahr 2050 erweitert werden. Stadtplanerische Zeithorizonte bis zum Jahr 2100 müssen mit einbezogen werden, um Flächenbedarfe und Infrastrukturen verläßlich planen zu können.

Neue Roadmaps: Digitalisierung & Industrie 4.0 bis zu Supereffizienz-Industrien 5.0 & SmartCity 5.0
Angesichts bereits weltweit vorhandener marktfähiger Innovationen und Technologien muss heute viel weiter voraus und noch mehr vernetzt gedacht werden:
„Künstliche Intelligenz“ und „selbstlernende Systeme“ werden schon breit angewendet. Gesucht werden produktive Anwendungem „technologischer Synergien“ und das Zusammenwirken mit produktiven Innovationsbereichen. Gleichzeitig durchdringen sich in Innovationen und neue Technologien in „Arts, Media, Science & Industry“ gegenseitig, und erschaffen emergente Anwendungsfelder und Anwendungssysteme.
Tesla zeigt, wie sich Mikroelektronik, Künstliche Intelligenz und Elektromobilität mit neuen autonomen Fertigungs- und Montagetechnologien zu neuen Wertschöpfungsketten „syntegrieren“ lassen.
Ein neues Szenario kommt mit Industrie 5.0 auf: es entsteht ein wachsender Bedarf nach individuellen Ausdrucksformen, nach einzigartigen, maßgeschneiderten und personalisierten Produkten. In einer solchen Ära steht nicht länger die Roboter-gesteuerte Massenfertigung im Mittelpunkt, sondern die menschliche Kreativität.
Die größten wirtschaftlichen Wachstums-Chancen bestehen heute in „syntegrativen Innovations-Strategien 5.0“, die sich auf normative Standards und Protokolle, Software und Frameworks, Regelwerke und Designstandards, sowie auf Effizienz und Nachhaltigkeit stützen. Interkulturelle Kooperationen, Mensch-Maschine-Kollaboration und wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen sowie Klimaschutzziele und Nachhaltigkeitsziele werden zu Innovations-Treibern.
Vollautomatische Supereffizienz-Industrien 5.0 werden möglich, in denen Menschen und digitale Zwillinge mit Robotern kooperieren. Dazu entstehen syntegrative Technologien und Mobilitätstechnologien der SmartCity 5.0, in denen Citizens, Internet der Dinge und Stadt ein sozioökonomisches und logistisches System bilden.
Im Hintergrund lauern Systemfragen: Ist die Stadt der Zukunft auch volkswirtschaftlich, digitalwirtschaftlich und erwerbsbiografisch tragfähig?
Für den Masterplan Industrie Berlin ergeben sich konkrete Fragen: Reichen die bisher 11 Berliner Zukunftsorte aus. Oder haben wir in der Stadt noch Potentiale und Raum für einige zusätzliche Zukunfts-Orte und neue volks- und weltwirtschaftlichen Spielräume? Gibt es noch unentdeckte Potentiale und wichtige Innovationsfelder in Berlin, die überhaupt noch nicht wirtschafts- und innovationspolitisch geerdet sind? Fehlen wichtige Innovatoren, die folglich auch noch nicht im Netzwerk Industriepolitik agieren können?
Zwei exemplarische Beispiel-Bereiche zeigen strategische Lücken in den Innovations-Strategie und im Masterplan Industrie auf:
Syntegrations-Cluster Interior Design und Innenarchitekturen*
Berlin und Brandenburg sind einer der größten EU-Absatzmärkte für Möbel, Interior Design und Innenarchitektur (incl. Fahrzeugdesign). Die größten Branchenführer im Böbelhandel sind hier vertreten, von IKEA, XXXl-Lutz bis zu HÖFFNER und Home24. Es gibt zwei große Kunst- und Designhochschulen und eine ganze Landschaft von privaten Designschulen und viele designorientierte Unternehmen in Luft- und Raumfahrt, Fahrzeugbau und Verkehrssystemen. Dazu mehrere Technische Hochschulen, die vom 2-D bis 5-D-Design Technologien, Materialien und Konstruktionen erforschen und in Systemlösungen entwerfen. Tausende Designer, Architekten und Künstler arbeiten in Berlin, oft in viel zu kleinen Nischen.
Wo werden die Chancen für neu industrieelle Produktionen und produktionsorientierte Wertschöpfung erarbeitet und umgesetzt? Können auch Roboter-Building- und neue Interior-Technologien in Berlin entwickelt werden?
Blockchain-, Fintech-, Stablecoin- und SmartContract-Technologien*
In Berlin befindet sich einer der innovativsten Hotspots für Blockchain-Technologien und Fintech-Startups. Allerdings wird die Weiterentwicklung von Blockchain- und Cryptocurrency-Technologien zu Stablecoin-Technologien durch die EU-Finanzmarkt-Regulierung gebremst. Wer erprobt und erforscht die Anwendung von Stablecoin und SmartContract-Technologien, um bestehende industrielle Wertschöpfungsketten durch transaktionsökonomische Innovationen und SmartContract-Technologien wettbewerbsfähig zu machen?
Kann man Stablecoin- und SmartContract-Technologien in „digitalen Sonderwirtschafts-Arealen“ erproben, um völlig neue Formen von industrieller Wertschöpfung zu erschaffen? Könnten industrielle Produktionen beispielsweise völlig dezentralisiert werden, um Produktion auf weltweit verteilte Maker-Plattformen zu verlagern, die auf Abruf produzieren? Kann in Berlin ein auf dem Euro aufbauendes Stablecoin-System aufgebaut werden, das weltweit Produktion, Absatz und Weiterverwertung in Schlüsselbranchen und die Verarbeitung vor Ort nachwachsender Rohstoffe sichert? Lassen sich so auch in Berlin Dezentralisierte Autonome Organisationen (DAO) in der Industrieproduktion entwickeln? (Decentralized Economy).
Der Erfolg einer Fortschreibung des Masterplan Industrie Berlin (nach 2021) wird auch von einer Beantwortung dieser Fragen abhängen. Was optimistisch stimmt: wichtige Akteure der Blockchain- und Stablecoin-Technologien sind in Berlin aktiv.
Autor: Dipl.-Ing. Michael Springer info@spandauer-tageszeitung.de
Förderaufruf Masterplan Industrie
Die Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe will aktuell neue Ideen und Akteure für den Masterplan Industriestadt Berlin interessieren:
„Ein Novum in der aktuellen Fortschreibung des Masterplans Industriestadt Berlin 2018-2021 (MPI) ist die Hinterlegung eines Budgets, das zur finanziellen Unterstützung von Projekten innerhalb der definierten Maßnahmen zur Verfügung steht.
Auch 2020 haben Sie wieder die Möglichkeit, Ihre Projektskizzen einzureichen. Der nächste Stichtag ist der 1. März 2020.“
Wer kann Fördermittel beantragen?
Die Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe verfügt über Haushaltsmittel zur Unterstützung der Maßnahmen des MPI. Federführende Akteure können Projekte für eine Förderung empfehlen. Bitte beachten Sie die Bestimmungen zur verbotenen staatlichen Beihilfe nach Art. 107 Abs. 1 AEUV.
Zu welchen Zeitpunkten kann ich zusätzliche Mittel beantragen?
Die Federführenden erstellen gemeinsam mit den jeweils unterstützenden Akteuren eine Projektskizze. Diese kann zum Stichtag am 1. März oder 1. September bei der MPI-Geschäftsstelle eingereicht werden.
Wie kann ich meine Projektskizze einreichen?
Bitte senden Sie die vollständig ausgefüllte Projektskizze (als PDF-Datei per E-Mail an post@industriestadt-berlin.de Gerne können Sie dieser E-Mail weitere Hintergrundinformationen beifügen.
Wie gestaltet sich der Entscheidungsprozess zur Bewertung der Projektskizzen?
Die Geschäftsstelle prüft die Projektskizzen anhand eines Kriterienkatalogs (siehe FAQ, S.11) und erarbeitet eine Entscheidungsempfehlung. Die finale Entscheidung erfolgt durch die Senatsverwaltung für Wirtschaft Energie und Betriebe. Im Falle einer positiven Einschätzung der Fördermöglichkeit, werden Sie eingeladen, einen Förderantrag einzureichen.
Weitere Informationen:
Alle weiteren Informationen und Dokumente finden Sie auf den Seiten der Industriestadt Berlin unter dem Stichwort „Mitmachen“.
Für Rückfragen steht die MPI-Geschäftsstelle gern zur Verfügung!
Geschäftsstelle Masterplan Industriestadt Berlin
Eric Herbstreit (Leitung)
Tel.: 030 – 58 70 90 70
Mobil: 0176 – 20 36 97 28
post@industriestadt-berlin.de
Lesetip:
Pieter Simoens* / Dr. Anna-Lena Gutberlet:
Industrie 5.0: Die Verbindung von smarter Robotik mit menschlicher Kreativität
( ELEKTRONIK PRAXIS 29.10.19 ).
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