Dienstag, 15. April 2025
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Große Flügel mahlen lange – die Bockwindmühle von Beelitz

Die Beelitzer Bockwindmühle

Vo Amina Mendez

Nur 50 Kilometer von Berlin entfernt liegt Beelitz — bekannt durch seinen Spargel, die Heilstätten und den Baumkronenpfad. Wenn man von Osten, über Trebbin nach Beelitz fährt, wird man von der Beelitzer Bockwindmühle begrüßt. Sie liegt auf einem aufgeschütteten Hügel und ist eine der wenigen noch aktiven Bockwindmühlen in Deutschland.
Hier wird noch richtig Mehl gemahlen. „Aus einem Sack Korn, ein halber Sack Mehl, ein halber Sack Schrot“ — so erklärt uns Müllermeister Ulrich Hyna, der sich um den Betrieb der Mühle kümmert. Er ist einer der drei Müllermeister, die die Beelitzer Bockwindmühle heute in Gang halten.

Müllermeister Ulrich Hyna vor der Beelitzer Bockwindmühle
Müllermeister Ulrich Hyna vor der Beelitzer Bockwindmühle – Foto: © Amina Mendez

Die Bockwindmühle ist die älteste Mühle Deutschlands, deswegen wird sie auch „Deutsche Mühle“ genannt. Bei der traditionellen Bockwindmühle sitzt das ganze Mühlwerk auf einem hölzernen Stützgerüst, dem sogenannten „Bock.“ — Ein langes Ruder, der sogenannte „Sterz“ erlaubt dem Müller, die Flügel in die vorherrschende Windrichtung zu drehen. Dann erst setzen sich die Flügel in Bewegung.

Die Justierung der Flügel kann bei wechselnden Winden sehr mühevoll sein. Deshalb bekam die Bockwindmühle historisch bald Konkurrenz von anderen Mühltypen. Heute gibt es noch etwa 100 historische Bockwindmühlen in Deutschland. In der Region Nuthe-Nieplitz ist die Beelitzer Bockwindmühle jedoch die einzige aktive Mühle, deren Mehl in die frische Brotversorgung geht.

Zuerst Ruine, dann Wahrzeichen

Müllermeister Ulrich Hyna führt uns durch das Mühlengelände. Im Jahr 2005 war die Mühle noch eine Ruine. Erst der Beelitzer Mühlenverein e.V. setzte die Rekonstruktion der Mühle in Gang. Für den originalgetreuen Wiederaufbau waren Experten erforderlich, von denen es heute nur noch wenige gibt. Nach drei Jahren war die Mühle neu in Stand gesetzt. Die Mühle steht heute nur wenige 100 Meter von ihrem Ursprungsort entfernt. Der neue Standort bietet wesentlich bessere thermische Luftverhältnisse mit ausreichend Windstärken. So kann die Mühle auch heute in viele Tage im Jahr in Betrieb gehen.

Das Besucherzentrum der Beelitzer Bockwindmühle
Das Besucherzentrum der Beelitzer Bockwindmühle – Foto: © Amina Mendez

Die ehemalige Scheune des neuen Grundstücks ist heute ein Besucherzentrum. Der Verein „Beelitzer Bockwindmühle e.V.“ setzte sich für Fördermittel ein. 2019 gab es dann Geld aus dem europäischen Leader-Förderprogramm. Rund 300.000 Euro bekam der Verein für die Umsetzung des Projekts. Zusätzliche 100.000 Euro musste er für die Baukosten selbst aufbringen.

Heute finden regelmäßig Veranstaltungen im Mühlenzentrum statt. Besonders beliebt ist der alljährliche Weihnachtsmarkt. Besucher aus der Umgebung und Mühlenfreunde aus Berlin besuchen den Ort immer wieder. Denn hier werden alte Handwerkstraditionen hoch geschätzt und gepflegt.

Das Wohnzimmer einer Müllerfamilie
Das Wohnzimmer einer Müllerfamilie – Foto: © Amina Mendez

Eine dieser Traditionen ist das „Vermehlen“. Ähnlich wie ein Pfarrer — doch ohne religiöse Verbindung bringt der Müller Paare zusammen, die sich gegenseitig ein Versprechen geben möchten. Nach der Hochzeit beim Standesamt kommen sie zum Müller, um sich das „Ja-Wort“ zur „Vermehlung“ zu geben. Braut und Bräutigam verbinden sich so mit den alten Traditionen der Vorfahren und geben ihrer Ehe Bodenständigkeit. Die „Vermehlung“ in der Mühle nach altem Müllerbrauch bleibt als Symbol in den Herzen der Paare und stärkt ihre Liebe und Zuneigung. Auch Paare, die von außen Schwierigkeiten erfahren, kommen in die Mühle, um ihre Beziehung zu stärken und ihr den Halt zu verleihen, den sie in ihrem normalen Umfeld vermissen.

Museum für das Jahrhunderte alte Mühlenhandwerk

Oben im ersten Stock des Besucherzentrums befindet sich das Mühlenmuseum. Ein eingerichteter Werkstattraum zeigt die typischen Werkzeuge eines Müllers. Kraushammer für die Schärfung der Mahlflächen und die Bille für die Bearbeitung der Luftfurchen. Der Müller braucht Werkzeuge zur Stein-, Eisen- und Holzbearbeitung. Flach- und Kreuzmeißel, Bohrer, Schraubenschlüssel, Sägen, Feilen und Zangen. Ein großes Werkstatt-Portfolio ist im Museum ausgestellt.

Ein Blick in die Müllerwerkstatt
Ein Blick in die Müllerwerkstatt – Foto: © Amina Mendez

Im gegenüberliegenden Raum ist das Wohnzimmer einer traditionellen Müllerfamilie rekonstruiert. Gemütlich, anheimelnd und einfach ruft es die alten Zeiten zurück. An der Wand hängt das Portrait des Müllermeisters Arthur Röhl aus Sachsen-Anhalt. „Dies ist bislang unser wertvollstes Ausstellungsexponat“ sagt Ulrich Hyna über den Nachlass von Arthur Röhl. Der Müllermeister Röhl brachte Erlebnisse seiner Wanderjahre als Müller in mehr als 400 Gedichten zu Papier. Ein Großteil dieses Schatzes ist bisher noch unveröffentlicht.

Die Sprache der Mühle ist eindeutig

Müllermeister Ulrich Hyna schätzt die Traditionen seines Handwerks sehr. Die Sprache der Mühle ist heute weitgehend in Vergessenheit geraten. Vor 100 Jahren noch gab es weder Radio noch Smartphones. Die Mühle thronte über dem Dorf und war für die Bewohner Wahrzeichen und Nachrichtensender zugleich. Jede Stellung der Flügel hatte eine Bedeutung und gab Auskunft über den Mühlbetrieb und wichtige Ereignisse im Dorfe. Standen die Flügel auf 12, 3, 6, 9 – hieß dies die Arbeit ist beendet, es ist Feierabend. Die Freudenschere wies auf ein freudiges Ereignis wie die Geburt eines Kindes oder eine Hochzeit hin. Dann standen die Flügel auf 1, 4, 7, 10. Bei Trauer stellte der Müller die Flügel auf 2, 5, 8, 11.

Die Beelitzer Bockwindmühle ist heute noch aktiv
Die Beelitzer Bockwindmühle ist heute noch aktiv – Foto: © Amina Mendez

Mühlensaison an der Beelitzer Bockwindmühle ist von April bis Oktober. Jeden 1. Sonntag im Monat von 10:00 bis 16:00 Uhr gibt es Führungen durch die Mühle. Mit ein bisschen Glück erlebt man die Mühle auch im aktiven Zustand. Ab Windstärke 2-3 beginnen die Flügel, sich zu drehen. Müllermeister Ulrich Hyna oder seine beiden Kollegen Ina und Paul Häntsch geleiten die Besucher in die Mühle. Die Begeisterung und die Liebe zu dem alten Handwerk treibt sie an. Das alte Handwerkswissen, historische Anekdoten und Geschichten werden an Besucher und Gäste. Auch ein verkleinertes Mühlen-Modell ist vom Mühlenverein gebaut worden, um es für die Bildungsarbeit an einen geeigneten Standort einzusetzen.

Leckeres Brot traditionell hergestellt

Das Mehl der Beelitzer Mühle wird von der Beelitzer Familienbäckerei Exner abgenommen und in höchster Qualität zum beliebten Mühlenbrot verarbeitet. Das hochqualitative Roggenbrot erhielt eine Auszeichnung von der Deutschen Lebensmittelgesellschaft (DLG). Bäckermeister Tobias Exner versteht sich auch als „Brotsommelier.“ — Sein altes Wissen um das Bäckerhandwerk, moderne Erkenntnisse zur Ernährung und zu regionalen Besonderheiten der Mehl- und Brotsorten, machen ihn zu einem gefragten Spezialisten, der zu dem Brot auch die perfekte Kombination mit anderen Lebensmitteln empfehlen kann.

Die Filialen der Bäckerei Exner sind in der ganzen Region Potsdam, im Berliner Umland und in einigen Berliner Bezirken zu finden.

Ausflugstipp:

Die Beelitzer Bockwindmühle heißt ihre Besucher herzlich willkommen, besonders von April bis Oktober, mit regelmäßigen Führungen durch die Mühle. Im Kalender des Mühlenvereins sind kleinere und größere Feste und Märkte am der Beelitzer Bockwindmühle zu finden. Am 29.10.2023 ist das Hubertusfest. Und am 18.12.2023 lädt der beliebte Weihnachtsmarkt ein.

Weitere Informationen:

Anfahrt zur Beelitzer Bockwindmühle:
Auto: über die B101 bis Trebbin, weiter Landstraße 246 Richtung Bad Belzig
Zug: mit dem RE7 Berlin-Hbf – Richtung Dessau, Haltestelle Beelitz (46 Minuten)

Beelitzer Bockwindmühle | Trebbiner Str. 79 | 14547 Beelitz | www.beelitzerbockwindmuehle.de